[ Read & Review ] Barry – Kapitel 1

Hey, in diesem Post stelle ich euch eine Art “Beta-Variante” eines Ausschnitts meines neuen Buches vor. Hier ist noch nichts in Stein gemeißelt – ich würde mich absolut über ein Feedback freuen. Wie fühlt sich die Story für euch an? Wie ist das Tempo? Was kann weg und was macht Lust auf mehr?

Aber lasst uns nicht lang reden, ich danke euch schon mal riesig für eure Zeit!

Viel Spaß:-)

Kapitel 1

Tom

Das monotone Ticken der alten Wanduhr durchbrach die Stille des Morgens. Tom saß mit einer Tasse Instant-Kaffee am Küchentisch.

 

Sein Blick fiel auf den Kühlschrank, an dessen Magnetoberfläche ein Zettel hing.

„Wenn du das liest, erinnere dich daran, dass dies nicht das Ende ist.“

 

Nach einem kurzen Grübler schleppte er sich zum Fenster und ließ die frische Morgenluft herein, die nach dem Regen der letzten Nacht und der Möglichkeit eines Neuanfangs roch. Doch für Tom schien jeder neue Tag nur eine Wiederholung des vorherigen zu sein, eine endlose Schleife aus Enttäuschungen und verpassten Gelegenheiten.

 

Er verharrte noch ein wenig am Fenster und klammerte sich an diesen Moment, bevor er in ein paar Stunden wieder am Schreibtisch sitzen würde. Tom war Video-Editor in einer Agentur für Imagefilme. Nicht beruflich, wie er zu sagen pflegte, die Rechnungen müssen jedoch bezahlt werden. Doch nur um ein paar Rechnungen zu zahlen, damit sich der Weg zum weltbekannten Autor finanzieren ließe, hatte Tom in der Vergangenheit viel auf sich genommen. Abschluss nachholen, Studium mit zwei Nebenjobs und einem Kredit, der seine kleinen Einnahmen von Schreibaufträgen und den Cent-Tantiemen seiner Bücher auffrisst wie ein Schwarm Termiten.

 

Und nun sitzt er da, jeden Tag aufs Neue, in einer kleinen Büro-Nische, zusammengetrieben wie in einem Stall aus Bürotischen mit 14 anderen Hühnern, die von 08:00 bis 16:00 Uhr ihre Eier für den Chef legten, welcher gerade einen der wenigen Mitarbeiterparkplätze schließen ließ, damit dort sein neuer Firmenwagen Platz hatte. Ein nagelneuer Porsche 911 mit Sportausstattung.

 

Schon bevor dieses neue Betriebs-Investment vor dem Bürogebäude glänzte, war es ein täglicher Kampf auf dem Firmengelände zu parken. Da Tom ohnehin kein Auto mehr hatte, schien es ihn nicht sonderlich zu beeinflussen. Doch die Tatsache, dass Emily, seine Tischnachbarin gegenüber, jedes Mal 16 Dollar am Tag für den öffentlichen Parkplatz gegenüber zahlen musste, weil sie als alleinerziehende Mutter ihr Kind vor der Arbeit in den Kindergarten brachte, stimmte ihn jedes Mal, wenn sie gestresst an den Schreibtisch hetzte, wütend. Er hatte schon überlegt ihre Parkgebühren zum Teil zu übernehmen, da er als Mann in der Firma besser verdiente als sie, eine weitere Ungerechtigkeit, die sein idealistisches Wesen zynisch stimmte.

 

Doch konnte er sich selbst kaum über Wasser halten. Die Busfahrkarte kostete mittlerweile ein Vermögen, die Miete wurde ebenfalls erhöht und er verzichtete schon auf den Kaffee im örtlichen Café in dem er gerne hin und wieder schrieb, da er ein wenig Geld zurücklegt, um für das Schlimmste vorzusorgen.

 

Doch auch dieser Moment des Verharrens ging schnell wieder vorbei, denn er sah seinen Nachbarn Elvis aus dem Gebäude auf die Straße laufen. Jedes Mal, wenn dies geschah, sah er wie der rechte Arm sich vom rechten Ohr nach unten fallen ließ, während sich kurz darauf der linke Arm in Richtung linkes Ohr erhob, um sich den zweiten AirPod in in den Gehörgang zu stecken. Danach zupfte er sich seine Jeansjacke zurecht und schob sich beide Hände ihn die Hosentasche. Eine Situation, die Tom manchmal an die Simulations-Theorie glauben ließ.

 

Dieser sich stets wiederholende Vorgang war an den meisten Morgen das Zeichen dafür, dass Tom selbst bald in den Bus steigen musste, um zu seiner Arbeit zu fahren.

 

Heute hatte Barry wieder die Ehre, die hart arbeitende Bevölkerung von Los Angeles zu ihren Posten zu fahren. Er hieß eigentlich gar nicht Barry, was nicht schwer zu entlarven war. Auf seinem Namensschild, welches an seiner Busfahrerweste haftete, stand nämlich der Name Jim Gardener. Scheinbar mochte er den Namen Jim nicht und entschied sich für Barry, weshalb vorne, in der Windschutzscheibe des Busses, ein recht großes, laminiertes Schild mit dem Namen Barry steckte.

 

Jim Gardener, aka Barry der Busfahrer, war ein sehr lustiger, rundlicher Mann mittleren Alters. Er hatte Ethan Moore, einen berühmten Newcomer in der Musikszene, damals immer zur Schule gefahren. Dies schien sein ganzer Stolz zu sein. Ob das wahr ist, schien Tom jedes Mal anzuzweifeln, da Mr Moore laut einer kurzen Google-Recherche in einem anderen Stadtteil aufwuchs – aber wem schadete diese Information schon.

Barry schien auch ein großer Fan von Flugzeugen zu sein, da die linke Seite des Armaturenbretts mit Miniatur-Flugzeugen dekoriert war. Außerdem sprach er recht häufig die typischen Flugzeug-Codes durch die Sprechanlage des Busses und trug dabei eine Piloten-Mütze.

 

»Guten Tag liebe Gäste, heute spricht ihr Pilot Barry. Das Wetter beträgt milde 19 Grad und der Verkehr ist noch ruhig. In wenigen Sekunde starten wir unsere Tour von der S Vermont Avenue. Der nächste Stopp ist die Ruthelen Street. Bitte achten sie auf das Rauchverbot und lassen sie ihre Taschen nicht unbeaufsichtigt. Anschnallen brauchen sie sich nicht, dies ist ja schließlich ein Bus.«

 

»Wie kann dieser Kerl nur jeden Tag so gut drauf sein?« fragte sich Tom. »Er fährt jedes Mal aufs Neue irgendwelche Menschen durch die Stadt. Letzte Woche wurde er von einer Frau beleidigt, deren Ticket seit 4 Monaten nicht mehr gültig war.«

 

Vielleicht hatte Barry auch mal den Traum Pilot zu werden und hängt jetzt in einem anderen Beruf fest, der einst die Rechnungen bezahlen sollte. Das fand Tom jedoch gar nicht so schade wie angenommen, denn Barry war zumindest näher an seinem Traum dran als Tom an seinem, indem er Menschen von A nach B beförderte. Da Barry jedoch ein geselliger Kautz war, gönnte Tom ihm diesen imaginären Triumpf.

 

Neid war sowieso etwas, das Tom verabscheute. Er vertrat die Ansicht, dass Neid das Potenzial von Menschen vergiftet.

 

»Du kannst mir doch nicht ernsthaft sagen, dass es dich motiviert, wenn Eric sich den nächsten Trip nach Europa gönnt, während du hinter dem Tresen festhängst und dir nicht mal Disneyland leisten kannst.« argumentierte er häufig in den Diskussionen mit seinem Bruder Adam.

 

Eric war ein alter Schulfreund und Nerd, der in Zeiten, in denen Kryptowährungen noch uncool waren, den richtigen Riecher hatte. Da Tom ebenfalls eher ein Nerd war, verbrachte er sehr viel Zeit mit Eric, welcher mittlerweile ein millionenschwerer Frauenheld und bekennender Hedonist ist, solange man seinem Instagram-Profil glauben mochte. Tom zur Folge hatte Eric sich durch das Geld sehr verändert.

 

»Scheiß Geld.« war ein Ausdruck, welcher Tom nicht selten über die Lippen zischte.

 

Adam hingegen hatte damals nie viel mit Eric zu tun. Er war sportlich, klug und wäre fast sogar einmal Schulsprecher geworden, hätte Direktor Warren ihn nicht mit der Tüte Gras erwischt.

Auch jetzt ist er noch ein begeisterter Sportler, der als Barkeeper und selbstständiger Fitnesstrainer ein recht ähnliches Leben wie Eric führen könnte.

 

»Guck dir doch an was es aus Dad gemacht hat. Er hat nur nach dem Geld geschaut, und was hat es ihm gebracht? Einen Herzinfarkt.«

 

»Dad war ein Arsch, Tom.« erwiderte Eric mit einer leichten Demut in der Stimme. »Dem konntest du gar nichts recht machen, und du versuchst es immer noch – er lebt nicht mal mehr.«

 

Der Vater der beiden war eine schwierige Person. Er arbeitete viel und hart. Es gab Zeiten, in denen er drei Jobs hatte. Für seine beiden Jungs war wenig Zeit. Adam war sein Liebling, »Mein Quarterback!« war eine häufige Bezeichnung. Während Tom in seinem Zimmer Videospiele spielte und mit seinen Außenseiter-Freunden Rollenspiele spielte, war Adam mit ihrem Vater oft auf dem Football Feld und warf Pässe. Das ging so lange gut, bis Adam sich an seinem 17. Geburtstag vor der gesamten Familie als homosexuell outete.

 

»Eine Vergeudung an die Männerwelt.« war der einzige Satz, den er an diesem Tag noch von sich gab, bevor er die Feier verließ und trank.

 

Ab dem Zeitpunkt versuchte er, nach einigen Tagen Selbstreflexion, Adam zu einem Psychiater zu schicken. Als das nicht sonderlich erfolgreich schien, ignorierte er Adam fortan und versuchte Tom unter seine Fittiche zu nehmen, um aus ihm einen ‘richtigen Mann‘ zu machen.

 

Da auch dieser Plan nicht aufging, wurde aus dem einst fleißigen und motivierenden Vater ein grummeliger Trinker, der von Zeit zu Zeit zur Kirche ging, um für seine Familie zu beten. Ein weiterer Schlag ins Gesicht der beiden Jungs, die sich mochten, so wie sie waren.

 

Neben all dem Drama mit ihrem Vater, hatte dies aber etwas Gutes. Die beiden Brüder sind sich nähergekommen und waren fortan unzertrennlich.

 

Über ihre Mutter sprachen sie selten. Eigentlich nur, wenn sie alle paar Wochen mal anrief, um zu fragen, ob ihre beiden Jungs mit zum Grab ihres Vaters mitkommen.

Die Mutter himmelte den Vater der beiden an. Sie waren seit der Schulzeit ein Paar und lebten das amerikanische Klischee des Sportlers mit der Cheerleaderin. Auch, wenn sie eine sehr liebevolle Mutter war, wurden die beiden Brüder das Gefühl nicht los, dass sie Adam die Schuld an dem Tod ihres Mannes gab.

 

Zwar würde sie es niemals wagen, dies auszusprechen, doch lag jedes Mal eine Art vorwurfsvolle Anspannung in der Luft, wenn das Thema aufkam.

 

Nachdem Barry die Fahrgäste wohlbehütet an dem großen Busbahnhof landete, wünschte Tom ihm wie immer einen schönen Tag und wurde damit mit einem »Bis zum nächsten Mal, Partner!« belohnt. Tom freute sich darüber, denn auch wenn Barry eher Teil einer täglichen Routine war, hatten die Fahrten mit ihm etwas vertrautes.

 

Die Agentur, in der Tom arbeitete war nur zwei Blocks entfernt von dem Busbahnhof. Wenn er sich beeilte, so wie er es am Anfang seiner Zeit dort war, konnte er in wenigen Minuten dort sein. Das musste er auch, denn was sein Chef Lennard an Körpergröße fehlte, machte er mit seinem lauten Stimmorgan wieder wett, wenn er seine Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft tadelte. An sich war er ganz entspannt, doch wenn es um sein Geld ging, dann wurde er schnell unbequem.

 

Tom wird niemals den Tag vergessen, an dem Emily weinend aus Lennards Büro gelaufen kam, nachdem sie vergessen hatte, das Sichtmaterial für den Punkten mit einem Wasserzeichen zu versehen, ehe dieser es zugesandt bekam.

 

»Ich weiß, was ihr alle denkt.« grummelte er »‘Sei doch nicht so ein Arsch Lennard.‘ ‚Das ist doch gar nicht so schlimm, Lennard.‘ Aber ihr habt keine Ahnung, was es für verdammte Arschlöcher in diesem Geschäft gibt!«

 

Manchmal grunzte er ein wenig, wenn seine Rage Fahrt aufnahm.

 

»Es gibt tatsächlich Menschen, die benutzen unser Videomaterial, ohne auch nur einen beschissenen Cent zu zahlen, wenn wir vergessen, ein fettes, hässliches, beschissenes Wasserzeichen auf das Material zu setzen!«

 

Innerhalb der letzten Jahre war Tom nicht mehr so bestrebt darin, Lennards Vorträge aus dem Weg zu gehen. Durch die Dramatik, die diese oft hatten, boten sie eine Menge Stoff für seine Drehbücher und Geschichten.

 

Heute war im es im Büro entspannt. Lennard war auf einem seiner Business-Trips, was so viel hieß, dass er sich mit anderen Unternehmern in einem teuren Resort in Mexiko verabredete und bei Yacht und Cocktails neue Kampagnen austüftelte – natürlich steuerlich absetzbar.

 

He Für die Mitarbeiter war das oft das Gefühl, welches man als Schulkind oft hatte, wenn der Lehrer krank war und die Klasse Freiarbeit bekommen hat. Daniel, der Buchhalter, war bekannt für seine ausgezeichneten Pizzabrötchen. Genau genommen waren es die Pizzabrötchen seines Partners Alex, welcher für sein Leben gerne kochte. Doch bei seinen Kollegen holte Daniel sich gerne den Ruhm für die Leckereien ein, da es ihn etwas beliebter machte. Er hatte nicht viel mit den anderen zu tun und war der einzige, der überhaupt nichts mit Medien und Gestaltung am Hut hatte.

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